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Rede des Vorsitzenden der SPD-Fraktion in der Gemeindevertretung Mainhausen Kai Gerfelder zu TOP 5 „Sonnenoffensive 2.0 – Bereitstellung von Flächen im Sinne von Klimaschutz bleibt Querschnittsaufgabe“ der Gemeindevertretung am 07.11.2023

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,

die Transformation der Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Ausstieg aus Kohle und Atom eine zentrale Zielsetzung der kommenden beiden Jahrzehnte. Dabei ist es vollkommen unabhängig, wie man die politischen Entscheidungen zur Dekarbonisierung und dem Verzicht auf Nukleartechnik bewertet. Fakt ist: um den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland dauerhaft zu sichern und die Klimaschutzziele zu erreichen, muss in den kommenden Jahren eine Herkulesaufgabe bewältigt werden.

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Auf Bundesebene hat man mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz und zahlreiche Begleitgesetzen einen entsprechenden Rahmen geschaffen. Auf Landesebene wurde mit dem Hessischen Energiegesetz unter anderem entschieden, die Photovoltaik neben der Windenergie zu einem tragenden Pfeiler der Energiewende zu machen.

Demnach sind in Hessen 10,5 Giga-Watt bis 2023 und 20 Giga-Watt Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen bis zum Jahr 2040 als Beitrag zu erreichen. Dies bedeutet einen jährlichen Zubau in Höhe von 1.100 Mega-Watt an Photovoltaik-Leistung ab dem Jahr 2026. Verbunden mit diesen Zielvorgaben ist die Bereitstellung von 1 Prozent der Landesfläche oder umgerechnet 21.115 Hektar für Photovoltaik-Nutzung. Da der Zubau alleine auf Dachflächen nicht ausreichen wird, muss nach Einschätzung des Hessischen Wirtschaftsministeriums etwa die Hälfte im Freiraum durch entsprechende Solarparks erfolgen. Dazu sind also rund 10.500 Hektar notwendig.

Bezogen auf die Gemeinde Mainhausen bedeutet dies, bei einer Fläche von etwa 18 Quadratkilometer, ein Gesamtziel von 18 Hektar, davon 9 Hektar in der Freifläche.

Neben der konkreten Zielformulierung hat der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene verfügt, dass zur Beschleunigung des Ausbaus zahlreiche Änderungen im Planungsrecht in Kraft treten. So sind Freiflächenphotovoltaikanlagen (FFPV) in bestimmten Bereichen - etwa im 200-Meter-Korridor an Autobahnen - nunmehr privilegiert. Dort können Vorhaben umgesetzt werden, sofern sie bestimmten natur- und artenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht entgegenstehen. Die Kommunen haben hier kaum noch Regelungskompetenz. Ein Bebauungsplan ist nicht mehr notwendig. Abseits dieser Korridore wurden die Hürden ebenfalls erheblich gesenkt, so dass die Errichtung und der Betrieb von FFPV deutlich einfacher zu verwirklichen sind.

Dass es sich bei den geschilderten Sachverhalten nicht um abstrakte, technokratische Prozesse handelt, zeigen Vorhaben in der unmittelbaren Nachbarschaft. So befindet sich auf der Gemarkung der Stadt Rodgau inzwischen eine FFPV in einer Größenordnung von 27 Hektar im Vorranggebiet Regionaler Grünzug und im Vorranggebiet für Landwirtschaft im Genehmigungsverfahren. In der Stadt Seligenstadt plant ein großer regionaler Energieversorger eine Freiflächenphotovoltaik von mehreren Hektar im privilegierten Korridor entlang der Autobahn.

Dass bei solchen großen Vorhaben zwangsläufig Konflikte und Flächenkonkurrenz entstehen, liegt in der Natur der Sache. Öffentliche Interessen wie Naherholung, Freiraumsicherung unter Umständen Natur- und Landschaftsschutz sowie die Bereitstellung von landwirtschaftlichen Produktionsflächen stehen den Zielen aus EEG und HEG die, „die Errichtung und der Betrieb von Anlagen der sowie den dazugehörigen Nebenanlagen im überragenden öffentlichen Interesse und (…) der öffentlichen Sicherheit“ definieren, vielleicht entgegen. Andererseits wird der Freiflächenphotovoltaik eine positive Wirkung auf den Grundwasserschutz und den Böden bescheinigt.

Hinzu treten legitime, individuelle privatwirtschaftliche Interessen der Grundstückseigentümer, der Landwirte und vielleicht auch der öffentlichen Hand, die durch entsprechende Beteiligungen an der Wertschöpfung - Stichwort Pacht - Erlöse erzielen können oder andererseits Ertragseinbußen haben.

Hinsichtlich der Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen darf eines auch nicht unerwähnt bleiben: Die Stromgewinnung durch Photovoltaik ist um das 40fache höher, als der Energieertrag durch Biomasse. Das heißt 1 Hektar Photovoltaik ist vom Stromertrag gleichwertig zu 40 Hektar Monokultur Energiemaisanbau mit den entsprechenden Folgen für Böden und Grundwasser. Oder umgekehrt werden rein rechnerisch durch einen Hektar Freiflächenphotovoltaik etwa 40 Hektar Acker zur Produktion von Lebensmitteln frei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

vor dem Hintergrund des geschilderten Sachverhaltes und der unumgänglichen zügigen Umstrukturierung im Stromsektor sieht die SPD-Fraktion die Notwendigkeit, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wir wollen die bei der Gemeinde verbleibende Steuerungswirkung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sowie der beteiligten Interessensvertreter auch angesichts der übergeordneten Notwendigkeit der Dekarbonisierung der Energiewirtschaft nutzen. Wir sind uns des Spanungsfeldes bewusst, dass es dabei auch um den Erhalt einer konkurrenzfähigen Wirtschaft und Industrie geht.

Deshalb halten wir es für notwendig, die Gemeindevertretung umfassend über die raumordnerischen Anforderungen an die Photovoltaik zu informieren. Der Regionalverband FrankfurtRheinMain hat sich diesbezüglich explizit als Partner der Kommunen angeboten.

Gleichzeitig halten wir es für notwendig in Zusammenarbeit mit Fachleuten aus der Photovoltaikbranche - wie Projektentwickler und Stromversorger - die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und begünstigende Standortfaktoren - Stichwort: Erschließung - zu erörtern.

In einem darauffolgenden Schritt gilt es dann, für die Kommune geeignete Standorte zu definieren und dabei die gegenläufigen Interessen miteinander abzuwägen. Idealerweise sollte dies im Konsens mit allen Beteiligten geschehen. Wir sollten uns dann auch über Ausbauziele der Photovoltaik auf unserer Gemarkung, gegebenenfalls in einem zeitlich abgestuften Verfahren, unterhalten. Aber eine solche Diskussion kann nur dann konstruktiv und zielführend gestaltet werden, wenn die Beteiligten über das nötige Wissen über die grundlegenden Rahmenbedingungen verfügen. Wir bitten entsprechend um Zustimmung.

Es gilt das gesprochen Wort.