Politik muss neue Wege abseits ausgetretener Pfade gehen
Mainhausen Mit ihrem inzwischen traditionell gewordenen Neujahrsempfang starteten die Mainhäuser Sozialdemokraten in das Jahr 2006. Als Gastredner konnten Gisela Schobbe, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins, den Landrat des Main-Kinzig-Kreises, Erich Pipa, begrüßen, der vor den circa 80 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Vereinsleben zum Thema „Mut zu eigenen Wegen“ referierte.
In seiner circa vierzigminütigen Rede forderte der 57-jährige die Anwesenden auf, im Sinne einer bürgerorientierten Politik ausgetretene Pfade zu verlassen und abseits der allgegenwärtigen Bürokratie neue Wege zu gehen: „Um es mal vorsichtig auszudrücken: Wir halten uns treu an Recht und Gesetz. Aber wir erlauben uns halt auch andere Dinge zu tun, wenn sie nicht ausdrücklich verboten sind. Anders gesagt: Wir versuchen, auf Bürokratie zu pfeifen, wann und wo es irgend geht. Das hat zwei Effekte: Erstens verhilft es zu erstaunlichen Erfolgen in der Politik für Bürgerinnen und Bürger. Und zweitens macht es riesig Spaß. Das beides zusammen ist, glaube ich, ganz wichtig in unserer derzeitigen Lage.“ Gemeinsam mit Bürgern und Unternehmen stehe die Kommunalpolitik in der Verantwortung für die Region abseits unsinniger Verfahrensweisen optimale Ergebnisse zu erzielen.
„Nehmen wir den Arbeitsmarkt: Seit Jahren verzeichnet der Main-Kinzig-Kreis regelmäßig eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Hessen und in der Bundesrepublik. Das hat mehrere Ursachen. Eine ganz wichtige besteht darin, dass wir nicht erst seit Hartz IV, sondern schon seit 1996 den Arbeitsmarkt für schwer vermittelbare Menschen selbst in die Hand genommen haben. Damals stand in keinem Gesetz, dass ein Landkreis eigene Arbeitsvermittler haben darf. Dass er Langzeitarbeitslose in eigenen Werkstätten wieder fit machen kann für den Beruf. Nirgendwo stand 1996 geschrieben, dass ein Landkreis eine Zeitarbeitsfirma gründen kann, damit sich Sozialhilfeempfänger und Arbeitgeber ohne Risiko beschnuppern können. Und es stand auch nirgendwo geschrieben, dass ein Landkreis zuständig ist, wenn junge Menschen, die mal Blödsinn gemacht haben, keine Ausbildung mehr finden.“
In besondere Weise betonte Pipa die Notwendigkeit gerade in Zeiten knapper Kassen alle gesellschaftlich Relevanten Gruppen in politische Prozesse einzubinden. Ohne die zahlreichen ehrenamtlich Tätigen in Vereinen, Organisationen, Selbsthilfegruppen und sonstigen Initiativen sei ein reges Kulturleben und ein funktionierendes soziales Netz nicht aufrecht zu erhalten. „Es macht mir viel Freude, dort mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam etwas zu bewegen. Ich finde, darauf kommt es an. Mit Politik von oben herab ist nicht mehr viel zu holen. Wir benötigen aktive Bürgergesellschaften, die vor Ort, in ihrem eigenen Lebensumfeld das Mögliche möglich machen. Dann klappt’s auch mit der Großwetterlage. Fragen wir nicht danach, was möglicherweise nicht geht, sondern danach, was gehen könnte. Seien wir aufgeschlossen gegenüber neuen Ideen und Menschen. Betrachten wir die Notwendigkeit zu schnellen Entscheidungen nicht als Last, sondern als Herausforderung. Diese Grundhaltung ist aus meiner Sicht das beste Rezept für ein erfolgreiches 2006.“
Bürgermeisterin Disser (SPD) griff in ihrem Schlusswort Pipas Ideen direkt auf und pflichtete seinen Worten bei: „Ich habe selbst die Erfahrungen gemacht, mit welchen bürokratischen Widerständen Kommunalverwaltungen zu kämpfen haben. Ohne die zahlreichen Verordnungen könnten die Mainflinger schon seit langem in ihrem Lebensmittelmarkt einkaufen und im Hinblick auf den Schulneubau der Käthe-Paulus-Schule wäre der Spatenstich sicher schon lange vollzogen. Aber wir sollten uns nicht entmutigen lassen und immer wieder die Ärmel hochkrempeln.“ In diesem Sinne schloss Disser mit einem passenden Zitat von Josephine Baker: „Träume können wir erst verwirklichen, wenn wir uns entschließen daraus zu erwachen!“